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Hamburg im Udo-Rausch

Für all diese Lieder gab es immer auch Kritik. An den „Friedensschnulzen“ und am „naiven“ Glauben an eine „Bunte Republik Deutschland“. Nicht wenige frühere Fans (im Westen und im Osten) haben sich mittlerweile abgewandt. Udo sei zu politisch, auch zu angepasst an den Mainstream. Man fragt sich, ob diese Leute Udos Texte und öffentliche Statements seit Anfang der 70er-Jahre überhaupt gelesen oder verstanden haben. Wenn jemand der Alte geblieben ist, dann ja wohl El Panico. Nicht zu vergessen seine sehr diverse Panikfamilie auf der Bühne, in der viele Hautfarben und Geschlechter inklusive transgender vertreten sind.

Udo Lindenberg überrascht in Hamburg mit Stargast Otto

„Einer muss den Job ja machen“, ist seine Devise, auch wenn dieser Song ebenso wie der Klassiker „Ich lieb’ dich überhaupt nicht mehr“ dieses Mal nicht auf der Setliste steht. Im Mittelteil hat es sich das Publikum gemütlich gemacht, aber neben dem Favoriten „Horizont“ hat Udo immer mal wieder ein Ass im Ärmel. Zum Beispiel Gitarristin Carola Kretschmer, die unter größtem Jubel traditionell auf ihrer Epiphone den sterbenden schwarzen Gitarrenschwan spielt.

Oder seinen ehemaligen WG-Mitbewohner Otto Waalkes, der wie 2016 im Volksparkstadion nach seiner Selbstvorstellung „Friesenjung“ gemeinsam mit Udo AC/DCs „Highway To Hell“ verballhornt: „Auf dem Heimweg wirds hell“. „Geile Überraschung“, freut sich Udo. Der Heimweg liegt in weiter Ferne. Es spielt, wenn auch nicht im Onkel Pö, in der Barclays Arena eine Rentnerband. Und die hat Zeit.

Udo Lindenberg: Irres Tohuwabohu in der Barclays Arena

Im letzten Drittel der Show haben die etwa 30 Beteiligten auf der Bühne ihr absolutes „Udopium“-High. Wirkte am Anfang noch alles sehr geplant, scheinen bei „Sonderzug nach Pankow“, „Alles klar auf der Andrea Doria“ und „Candy Jane“ alle nur noch das zu machen, worauf sie gerade Lust haben. Ein irres Tohuwabohu. Es ist, als hätte Zeremonienmeister Udo Lindenberg die Geschichte der – frenetisch mitgesungenen – „Reeperbahn“ mit ihren Rockclubs und Varietés in der Barclays Arena ausgekippt, um zu schauen, was passiert: alles auf einmal.

Dann ist es Zeit für den Abschied. Mit „Goodbye Sailor“ dankt er den in den vergangenen zwei Jahren gestorbenen Wegbegleitern, dem Konzertveranstalter Roland Temme und Produzent Andreas Herbig. Dann muss auch Udo gehen und besteigt eine Mondfähre, die ihn aus dem Saal trägt. Aber seine „Odyssee“ wird weitergehen: „Wir sehen uns ganz bald wieder.“ Dieser Mann hat schließlich noch eine Menge „Udopium“ zu verteilen.

Text: Tino Lange
Fotos: Tine Acke

Quelle: Hamburger Abendblatt, 29.06.2022

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