Reden
Aus einer Rede zum Thema "Udo und die DDR"
13.03.2004
Rede von Prof. Bazon Brock
Goslar - Mönchehaus
Am deutlichsten wurde diese Qualität elitärer analytischer Prägnanz von Udos massenspektakulärer Unterhaltungsanimation etwa mit Bezug auf das Verhältnis von Deutschland Ost zu Deutschland West: Lange bevor irgendein Berufspolitiker oder ein Prof. der Politikwissenschaften in der Lage war, eine grundsätzliche Veränderung des Ost/West-Verhältnisses überhaupt in Erwägung zu ziehen, holten die Lindenberg'schen Kreischekstasen eines scheinbar bornierten Publikums von Analphabeten die unvorstellbare Zukunft in der Gegenwart eines Rockkonzerts ein. Die angeblichen Analphabeten waren in ihrem Urteil den Profianalytikern weit überlegen. Diese bisher Eliten vorbehaltenen Leistungen als völlig selbstverständliches Vermögen der Massen vorgeführt zu haben, ist der grösste Verdienst des Künstlers Udo Lindenberg.
Wo die Rettung der Poesie auch bei bemühtesten Feuilleton-Manipulationen durch die Propagierung von Eliteliteraten wie eine abgekartete Machenschaft erscheint, da können die Reaktionen der Teilnehmer an einem einzigen Lindenberg-Konzert eine derartige kritische Masse entwickeln, wie man sie früher von den Herren Habermas, Enzensberger, Schirrmocher oder Grünbein erwartet hätte.
Jeder Lindenberg-Besucher erweist sich als kritisch kompetenter, analytisch scharfer und poetisch visionärer als die bestellten Elitedarsteller auf der universitären oder politischen oder der Szene unserer Feuilletons.