Reden
Ausstellungseröffnung von Udo & Erich Lindenberg
31.03.2006
Rede von Harald Falckenberg
Friedrichstraße 210 in Berlin Kreuzberg - In der Galerie Tammen + Seitz
Checkpoint Charlie, Berlin. Also, mir ist leider ein Missgeschick geschehen: Ich habe das umfangreiche Manuskript für diese Rede zu Hause liegen lassen. Das ist eigentlich nicht schlimm, denn meine Brille hab ich auch vergessen. Ich hätte es gar nicht lesen können.
Wir haben hier zwei Künstler zu würdigen die zwei Brüder sind, und meilenweit auseinander zu stehen scheinen. Aber tun sie das wirklich?
Ich fang' mal mit dem Älteren an, dem acht Jahre älteren Bruder Erich. Ich nenne ihn mal Erich, den Ernsten. Erich der Ernste hat eine richtige Ausbildung gehabt in der Kunst. Er hat sechs Jahre in der Akademie der Künste in München verbracht. Das muss ihn ziemlich geprägt haben. Wir sehen das Ergebnis hier, er ist ja 1938 geboren, eine ganz starke Auseinandersetzung mit Rothko und den Folgen, möchte ich einmal sagen. Aber trotzdem ist es ein ganz dichtes Werk geworden. Ich muss allerdings sagen, ich bin kein Kunsthistoriker, der sich gerade mit dieser Zeit so wunderbar auskennt, aber was mich so fasziniert an diesen Arbeiten ist die intensive Auseinandersetzung mit einem Thema, ich nenne es mal mit dem Transzendieren. Das geht ohne Übergangsstufen in der Farbe, auch in der Form, das ist ziemlich deutlich zu erkennen. Und es geht, wie Heiner Müller in einem sehr schönen Kommentar in einem Buch zu der Arbeit Erichs gesagt hat, es geht letzten Endes auch um das Verschwinden. Das Verschwinden von dieser Welt. Es ist sehr schwer diesen Prozess des Verschwindens zu zeigen. Man kann ein Still machen, eine Momentaufnahme, aber diese Momentaufnahme gibt eigentlich nicht den Vorgang wieder, denn wir sterben sehr viele Tode in unserem Leben bis wir den endgültigen sterben, und diese Momentaufnahme durch verschwimmende Farben und verschwindende Formen in einen Prozess zu bringen, darin sehe ich die eigentliche Leistung von Erich. (…)
Jetzt kommen wir zu Udo. Udo ist natürlich der Jüngere und wie so häufig in Familien, wenn der Jüngere sich bemerkbar machen will, sich durchsetzten will, muss er so'n bisschen Tammtamm machen. Der Ältere findet es gar nicht gut, dass jüngere nur durch Firlefanz den Erfolg haben und verfällt umso mehr in das Ernste. Also Udo der Unterhaltungskünstler, U wie U, hat den Ernsten in immer tiefere ernste Regionen vertrieben.
Wahrscheinlich muss man , wenn man heute die Genforschung und die Hirnwissenschaftler verfolgt, muss man sich das so vorstellen, dass diese Dinge, die so ganz weit auseinander liegen, sich ganz eng beieinander vorstellen muss, und es bedarf nur eines kleinen Switches, um von der einen Region in die andere herüber zu kommen. Davon bin ich ganz fest überzeugt. Ich habe vorhin den Erich gesehen, beim Fotografen und da rührte er seine Hände so, das sah schon aus wie bei Einstein dem Popstar. Udo dagegen fast ernst und elegisch, so wie ein Clown eben ernst sein kann. Also beides ist in beiden drin und die Grenze ist eine ganz enge.
Da waren so ein paar Leute, die mir erzählten „Also Udo kann weder singen, er kann auch nicht malen, aber beides tut er mit großer Begeisterung.“ Das hat mir sehr imponiert, das war eine sehr gute Analyse, möchte ich einmal sagen. Und wenn ich deine Arbeiten so sehe, ich verfolge sie jetzt ja schon seit einigen Jahren, das phantastische an ihnen, du bist ja ein Karikaturist im Grunde, also einer von der grotesken Seite, die werden immer lockerer. Und bitte bleib dabei, mach es immer lockerer, immer lockerer. Dann wird man wahrscheinlich auch eines Tages zu Dir sagen: „Ich komme jetzt zu dem Schlusspunkt, ich akzeptiere diesen Satze nicht, er kann weder singen noch malen, ich sage, Du malst genauso gut wie Du singst!“
Im Grunde haben wir es hier mit einem alten Trauerfall zu tun: wir denken an Horaz zurück, Horaz, irgendwann siebenundvierzig vor Christus hat er mal zur Kunst gesagt: „Delectare et Prodesse“, das heißt, sie soll Vergnügen bereiten und sie soll nützlich sein. Das ist natürlich immer so mit alten Quellen, die werden dann später auf Interpolation untersucht. Und weil die ja alle erst im siebten Jahrhundert nach Christus aufgenommen worden sind, streiten sich jetzt die Wissenschaftler, ob das „et“ heißt oder „aut“, also „Delectare aut Prodesse“, Vergnügen oder Nutzen. Und hier sind wir bei einem Thema, was wir schon in der Musik lange haben, das sich dort eingebürgert hat, das ist die E-Musik und die U-Musik, und die beiden kommen nicht zusammen, sondern sind getrennt. Ich meine dazu, dass das „et“ wahrscheinlich interpoliert worden ist und es muss wohl „aut“ heißen.
Und ich finde es eine wunderbare Pointe, dass nun E für Erich und U für Udo steht und deswegen möchte ich das Prinzip der E- und U-Musik auch auf die Kunst übertragen: Haben wir einen heiteren Abend mit E- und U-Kunst. Dankeschön.