Udonauten Logbuch
Der Abschuss zum Abschluss
28.10.2008 | Kommentare [2] Es ist das erste Mal, dass er diesen Raketenbahnhof anfliegt, „Modell Phönix“ in der Kölnarena, bisher war es immer die Sporthalle. Am Abend vorher noch Trainingslager in Riesa für den krönenden Abschluss, der Probeflug für das Grande Finale in Deutschlands größter Halle.
Auf die Frage, wie er sich im Astronauten-Lift fühlt, würde er vermutlich antworten:
„Einsam wie ein Astronaut
im All gestrandet, endlos verflogen
die Bodenstation schweigt und er begreift:
du bist verloren und ganz alleine hier oben...“
Aber cool bleiben, (oder so tun), das bringt die Berufswahl Panik-Pilot oder Popstar automatisch mit sich. „Je stürmischer die See, desto ruhiger muss der Kapitän bleiben“, pflegt er zu sagen. Aber schon beim Soundcheck flippt er heute selber total aus, so wie 90 Minuten später das Kölner Publikum: spätestens beim zweiten Song alle außer Rand und Band, bis in die obersten Ränge. „Was ist denn das hier für ein grandiooooser Empfang hier bei Euch in Köln?!“ Und er stellt seine „Methusalems“ vor, die jeden Abend in die Frischhaltetüte kommen, die mit den flammenden Fingern, den gleitenden „Sauce béarnaise-Fingern“, die Meister der Innovation und Erfinder des überirdischen Paniksounds, und Steffi Stephan, die „Hebamme“, die das Ganze ans Licht der Welt befördert hat - „hat er gut gezogen, ne?“ Die ganze Halle singt Cello, und der Sänger so ergriffen, dass er mit der Cellistin zu Boden geht. Jan Delay wird imitiert, von dem Mann, der selbst das beliebteste Parodie-Opfer deutscher Comediens ist, er hält sich die Nase zu dabei.
„Ihn doch!“ ertönt völlig unrhythmisch im fünffachen Echo aus 15.000 Kehlen bei „Nichts haut einen Seemann um“. Es donnert „der grenzenlose Berte“, es blitzt das Lichtkunstwerk von Günther Jäckle, der Käptn wankt nach Hause, er schleppt sich übern Deich. Dann erzählt er von Gronau, diesem „romantischen Städtchen“, und bei dieser Gelegenheit vergleicht er sich selbst mit Felix Krull, einer Romanfigur von Thomas Mann. Warum genau, das überlässt er unseren panikwissenschaftlichen Vermutungen – die beiden haben ja einiges gemeinsam: sie fühlen sich zu Höherem berufen, befreien sich aus dem kleinbürgerlich-ärmlichen Umfeld, jobben beide als Liftboy und Kellner in Luxushotels, steigen aus kleinen Anfängen zu glänzenden Gipfeln auf, wandlungsfähige Künstlernaturen sind sie, von Sehnsucht getrieben, weltweit unterwegs und heiß begehrt, und: beide schaffen es, die Bundeswehr auszutricksen und dem Wehrdienst zu entkommen.
So erzählt er mal eben - nur mit einem dahingenuschelten Namen - sein halbes Leben.
Und singt dann, Welturaufführung auf dieser Tour: Daumen im Wind. Als das Lied entstand, hatte er noch eine ganz dünne hohe Piepsstimme, und wollte doch viel lieber klingen wie Charles Bronson. Deshalb die Zigaretten und der Alkohol. „Einer musste ja den Märtyrer machen. Ich hab es doch nur für Euch getan!“ Und der Säufermond geht auf... Ein weiterer Teil der Lindenbergschen Biographie dann im zweiten Zugabenblock: „Dreiundsiebzig, da war ich viel am Rumchecken, Düsseldorf, Köln, Hamburg, Berlin, und dann kam das da so schicksalsmäßig auf uns runtergeballert, in Ost-Berlin...“ So fing das alles an, seine Love-Affair mit der DDR, und er singt diese wahre Geschichte, an diesem historischen Tag. Heute vor 25 Jahren, am 25. Oktober 1983 sang er für den Weltfrieden im Republikpalast, den Tourneevertrag schon in der Tasche. Aber gesagt, Russenraketen wollen wir auch nicht, und das wars dann. „Viel zu lange hat's gedauert, aber heute sind sie hier, die Mädchen aus Ost-Berlin...“ Zur Feier des Tages Eierlikör für alle zur Abschluss-Session „Candy Jane“: Bodyguard Eddy Kante, die lebende Diskokugel Andrea und Konzert-Manager Hermjo Klein himself tragen ein Tablett nach dem anderen auf die Bühne und reichen die Becher ins Publikum für die Panikparty.
Dann kommt auch schon der letzte Song, mit düsteren Raketen-Bildern im Hintergrund, zu dem der Astronauten-Lift wieder runtergefahren wird. „Unsere Raketen müssen weiter, doch unsere Herzen bleiben hier.“
Auf der vierten Ebene der Kölnarena dann das große Abschlussfest, während unten das Ufo zerlegt wird. Wehmütige Stimmung macht sich breit. Vor den Aufzugtüren, in den Fluren warten die Fans, schießen Fotos, lassen sich T-Shirts unterschreiben. Auch später im Hotel. Basisdemokratische Maßnahmen und Expertengespräche: über Hutmarken und Ideen und Projekte, und wo der beste Standort für die Panikzentrale ist...
Am nächsten Tag startet das Shuttle wieder Richtung Hamburg. Ein letztes Mal werden die Tanks geflutet. „Wird man sich jemals wieder... jemals wiedersehen?“