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Der nimmermüde Pazifist: Udos Panikparty mit 16.000 Fans in Leipzig

16.06.2022

„Udopium“ für das Volk! Udo Lindenberg macht mit seinem Panikorchester in Leipzig vor 16.000 Fans haltungsstark sein Ding.

Trotz sommerlicher Temperaturen sind am Dienstagabend in Leipzig viele Menschen mit Hut unterwegs. Aus Verbundenheit zu Udo Lindenberg, der bei seiner Tournee Halt auf der Festwiese macht. Nach Thüringen kommt er mit seinem Panik-Orchester in diesem Jahr nicht – und so kommen viele Thüringer in Leipzig zu ihm. 16 000 Fans sind es insgesamt, generationenübergreifend, von 8 bis 80.

Der Altmeister bietet auch mit 76 Jahren eine beeindruckende Show, rennt über die Bühne als ob es hier und da Zeitmessungen gibt. Der Panikpräsident wirbelt mit kreisendem Mikrofon, unverwechselbaren Tanzschritten und Küsschen für alle beim Auftritt, der eine Tour durch sein Rockerleben ist. Natürlich mit Hut und Sonnenbrille, mit Röhrenjeans, grünen Socken, hüftlangen Jacketts. Begleitet wird Deutschlands coolste Socke in den zweieinhalb Stunden von den fabelhaften Sängerinnen Nathalie Dorra und Ina Bredehorn sowie Tänzerinnen, Artisten, Blasmusikern und einem Kinderchor.

Karnevalsparty zur Sommerzeit

Mit Pyrotechnik, Nebelkanonen, Flammenwerfern und Lichteffekten leuchtet, zischt und knallt es, Akrobatinnen seilen sich bei „ Cello“ (leider ohne Clueso) ab, Stelzenläufer stolzieren, Menschen in Flamingokostümen flanieren – eine Karnevalsparty zur Sommerzeit.

Da diese auf dem Freigelände pünktlich um 20 Uhr beginnt, verpuffen anfangs die Lichteffekte. Doch vor allem im finalen Akt, in dem sich mit „Sonderzug nach Pankow“, „Alles klar auf der Andrea Doria“, „Candy Jane“ und „Reeperbahn“ Hit an Hit reiht, wirken diese eindrucksvoll. Doch das Konzert bleibt vor allem auch wegen den Botschaften wieder in Erinnerung. Haltung hat Udo Lindenberg schon immer bewiesen, er sammelte auch deshalb mehr Auszeichnungen ein als jeder andere deutsche Rockstar. Er ist schlimm abgestürzt und wieder aufgestanden, macht weiterhin sein Ding, schlendert durch die Jahrzehnte und bleibt dabei immer er selbst.

Viele Nachahmer und Doubles

Udo brachte den Deutschen bei, dass ihre Sprache cool sein kann; er hat viele Nachahmer und Doubles, aber niemanden, der ihm gleichkommt. Er greift ständig Themen auf, die polarisieren: mit der ihm eigenen Bildsprache, gern satirisch übertreibend, auch bewusst provozierend, aber stets --wie seine Statements gegen Rechts zeigen – eindeutig formulierend.

Mit „Na und“, einem Stück von 1973 (!) , macht Udo Lindenberg sich in Leipzig stark für die sexuelle Freiheit und feiert an diesem Abend seine Gitarristin Carola Kretschmer, die einstmals ein Mann war. „Die Liebe“, sagt Udo Lindenberg, „hat viele Variationen und viele tolle Gesichter.“ Ausgerechnet mit „Ich brech’ die Herzen der stolzesten Frau’n“ kommentiert Lindenberg die Missbrauchsskandale in der Kirche und lockert gleichzeitig das Zölibat, verheiratet als „Panikpriester“ sowohl zwei Priester als auch zwei Nonnen. Er lässt schließlich Puppen und Messdiener tanzen, während ein Kardinal sein Kreuz als Posaune nutzt: ein gigantisches Spektakel mit 40 Beteiligten auf der Bühne, dem Panikorchester, Tanz-Ensemble sowie dem Kinder- und Jugendchor „Kids on Stage“.

Eindrucksvolle Friedens-Botschaft

Der hat seine Gänsehaut-Auftritte aber vor allem bei „Wozu sind Kriege da?“ und „Komm wir ziehen in den Frieden“. Der Pazifismus ist für Udo Lindenberg keine Idee, die ausgedient hat: „Wir dürfen die Utopie niemals aufgeben. Es geht hier um die Zukunft für alle Kinder auf dem Planeten – in der Ukraine, in Russland, in Deutschland, überall auf der Welt.“ Er will sich seine pazifistischen Ideale bewahren und fordert: „Die Menschheit muss die Kriege beenden, bevor die Kriege die Menschheit beenden“. Und er formuliert vielleicht den Satz des Abends: „Stell dir vor, es ist Frieden, und jeder, jeder geht hin.“

Ja, es ist auch manchmal sehr still auf dem Konzert. Auch dann, wenn Udo von seinem Deal mit dem Tod berichtet. Man hätte ausgehandelt, dass der noch länger warten kann. Auch für seine Fans. „ In den vergangenen drei Jahren haben wir gemerkt, wie sehr wir uns fehlen. Ich schlich durch die endlosen Gänge im Hotel Atlantic, wie Jack Nicholson im spooky Movie Shining, ich war ja der einzige Gast. Ich hab gedacht, es spukt. Jetzt ist der Dealer wieder da mit der besten Droge – -Udopium.“

 
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