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Die volle Dröhnung „Udopium“

30.05.2022

Udo Lindenberg bietet mit seinem Panik-Zirkus in Stuttgart eine herrlich überdrehte Rockrevue der Superlative. Dabei kritisiert der 76-jährige Revoluzzer Kirche, Krieg und Kapitalismus.

Udo Lindenberg live, das ist immer ein Ereignis. Im Cinemascope-Format landete der „Panik 1“-Jet am Freitag auf seiner Odyssee durch die deutsche Arenen-Landschaft auf der Megabühne in der Schleyerhalle. Der Panikchef hatte nicht wie einst vor 50 Jahren den „Daumen in den Wind“ gehalten, sondern schwebte auf einer Art Mini-Mondfähre vom Hallenhimmel herab, um den Countdown für eine kunterbunte wie überdrehte „Honky Tonky Show“ einzuzählen. Nach „drei Jahren der Entbehrung und des Verzichts“ ganz ohne panische Live-Erlebnisse gab’s hier jede Menge „Udopium“ fürs Volk,knapp zweieinhalb Stunden Dröhnung an zwei Abenden in der Stuttgarter Schleyerhalle für insgesamt 22.000 Fans.

Der Mann mit Hut fackelte nicht lange, machte sein Ding und empfing bereits im dritten Song einen der Stars des „MTV Unplugged“-Albums. Während er im smarten Duett mit Clueso und dem wunderbaren „Cello“ eine „Freundschaft fürs Leben“ feierte, wurden im siebten Himmel die Bögen gestrichen und eine Göttin schwebte über ihnen. Ja, optisch wurde hier wahrlich nicht geknausert. Zu Trickfilmen gewordene Lindenberg-Bilder auf der gewaltigen LED-Wand, davor die Band, Tänzerinnen, Artistinnen und die singende Rasselbande der „Kids on Stage“ in wechselnden Kostümen. Mehr als 40 Akteure turnten da bisweilen ausgelassen herum.

Klare Ansage machte der munter über den Laufsteg tänzelnde, scheinbar unkaputtbare 76-Jährige, der unserer deutschen Sprache so viele Wortschöpfungen und Lieder für „schwere Zeiten“ geschenkt hat, noch immer. Zum„Katholentag“ in Stuttgart inszenierte er als Panikpriester eine gleichgeschlechtliche Doppeltrauung und wetterte wegen der Missbräuche: „Franzi wach auf und fahre unsere schöne katholische Kirche nicht an die Wand!“ Mit dem Klassiker „Wozu sind Kriege da“ forderte er, man dürfe die „Udopie“ des Friedens für die Welt nicht aufgeben, „auch wenn manche sagen, Pazifismus wäre heute naiv.“ Vom Kinderchor intoniert wirkte das Statement gegen den „brutalen Krieg in der Ukraine“ noch intensiver.

In „Ratten“ hatte Lindenberg bereits 1982 die Keule herausgeholt und „sie haben uns den Dschungel geklaut, den Himmel verpestet, die Flüsse versaut“ gesungen. In der Schleyerhalle wurde der Kampf ums schnelle Geld als abgefahrene Wrestling-Show inszeniert, und Udo gab den Rock-Revoluzzer: „Wir lassen die Welt nicht untergehen.“ Die Udopium-Show war allerdings das ziemlich genaue Gegenteil von Verzicht, Sparsamkeit und runter vom Gas.

 
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