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Herr Lindenberg, was ist damals eigentlich in Sindelfingen passiert?
31.05.2022 Was in Sindelfingen passiert, bleibt in Sindelfingen? Im Interview spricht er über Putin, Selenskyj, den ESC – und Orgien auf der Bühne.
Was würde Udo Lindenberg Putin sagen? Was hält er von Selenskyj? Will er lieber die Ehre des deutschen Pop beim ESC retten oder eine zweite Karriere als Politiker starten? Und was passierte 1981 wirklich auf der Bühne der Sindelfinger Messehalle? All diese Fragen beantwortet der 76-Jährige, der mit seinem Panikorchester am Wochenende zweimal in der Stuttgarter Schleyerhalle auftritt.
Herr Lindenberg, im November 1981 war ich 14, als ich das erste Mal auf ein Rockkonzert durfte: zu Udo Lindenberg in die Sindelfinger Messehalle. Können Sie sich an das allererste Konzert erinnern, das Sie selbst besucht haben?
Ich war zwölf, wir waren cool, Zigaretten im Mundwinkel und wir wollten sein wie James Dean. Ich war großer Fan von Louis Armstrong, der war ein Superstar und trat auf in Enschede – bei my Hometown Gronau im Gebüsch. Da bin ich mit’m Moped hingefahren. Dort spielte er im Stadion, fuhr in einer offenen Limo vor und winkte mit einem weißen Taschentuch – in der anderen die funkelnde Trompete. Da wusste ich, was ich werden wollte.
Die „Udopia“-Show im Jahr 1981 war auch deshalb so ein Ereignis für mich, weil ich den Eindruck hatte, am Ende verwandelte sich das Konzert in eine Art Orgie. Ging es damals tatsächlich so wild auf der Bühne zu – oder habe ich mir das als leicht zu beeindruckender Teenager nur eingebildet?
Was in Sindelfingen passiert, bleibt in Sindelfingen! Es gibt Dinge, die sind sind geheim, die darf man noch nicht einmal im Selbstgespräch erwähnen. Wir haben immer den Rock ’n’ Roll gelebt und zelebriert, hoch die Tassen, jeder kann machen, was er will, solange er niemand anderen dabei verletzt, beleidigt oder stört. „Udopia“ hat da Maßstäbe gesetzt und so manchen gestandene Rocker ausflippen lassen. Damals, beim letzten Song „Sandmännchen“, haben wir immer viele Fans auf die Bühne geholt, was dann geschah: Halleluja! Aber trotz aller Partytime, am Ende waren unsere Shows auch immer groß inszeniertes Chaos.
Was konnte der junge Lindenberg, das der Udo Lindenberg von heute nicht mehr kann.
Früher trank ich nach der Mengenlehre , heute bevorzuge ich die gezielte Drogeneinnahme.
Und was kann Udo Lindenberg heute, was der junge Lindenberg nicht konnte?
Alter steht für Radikalität und Meisterschaft, nicht für Pflicht, sondern für Kür. Der Udo von heute schwebt noch mehr über den Dingen, ist noch’n Tick gelassener und extrem tiefenentspannt.
1981 war die Zeit des Kalten Krieg und der atomaren Aufrüstung. In Sindelfingen haben Sie auch den Song „Wozu sind Kriege da“ gespielt.
Wir spielen seit über 40 Jahren den Song, der heute wieder von erschreckender Aktualität ist. Der brutale Krieg in der Ukraine, mitten in Europa, das hätte sich niemand mehr vorstellen können. Wir dürfen aber auch all die anderen Kriege nicht vergessen, im Jemen, Sudan, Mali, Syrien. Die Menschheit muss bald mal die Kriege beenden, sonst beenden die Kriege die Menschheit.
Wenn Sie die Gelegenheit hätten, direkt mit Wladimir Putin zu sprechen: Was würden Sie ihm sagen?
Ich glaube mit diesem weggetretenen Kriegsverbrecher kann man nicht mehr reden. Man kann nur hoffen, dass es Lösungen gibt, vielleicht aus seinem direkten Umfeld, dass er endlich abtritt, beziehungsweise abgetreten wird. Nichts rechtfertigt, ein anderes Land zu überfallen und auf brutalste Weise dort die Menschen zu ermorden.
Bono und The Edge von U2 haben in einer U-Bahn von Kiew gespielt. Könnten Sie sich auch vorstellen in der Ukraine aufzutreten?
Ja, wir zeigen volle Solidarität mit der Ukraine und sind voll dabei in Sachen humanitäre Hilfe, zum Beispiel über UNICEF, mit unserer Stiftung, mit "Ärzte ohne Grenzen" und viele weitere private Initiativen.