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Nur keine Panik: Udo Lindenberg in der ausverkauften SAP-Arena
10.07.2022 Der Mann ist 76 Jahre alt, und natürlich sieht man ihm das bei dem Leben, das er geführt hat, auch an. Aber auf der Bühne ist Udo Lindenberg immer noch eine Sensation. Zusammen mit seinen Fans in der ausverkauften SAP-Arena feierte er am Samstagabend ein Riesenfest. Corona ist zwar nicht vorbei, war aber für zweieinhalb Stunden vergessen.
Es hätte so schön sein können: Wenn Udo zurück ist, dann ist auch dieses Drecksding mit Corona durch. Und dann feiern wir eine Party mit dem Altmeister des deutschen Rock, wie sie das Panik-Universum noch nicht gesehen hat, bei der selbst die Außerirdischen in ihren Ufos mithüpfen werden. Die haben Udo Lindenberg ja ohnehin längst als einen der ihren akzeptiert. Schließlich ist Udo ja auch viel zu groß für diese Welt.
„Udopium“ heißt die aktuelle Tour
Wir wissen alle, dass es anders gekommen ist. Udo ist zurück auf Tour, welcher er den treffenden Titel „Udopium“ gegeben hat. Das ist die beste Nachricht in diesen wahrlich dunklen Tagen. Der Titel klingt irgendwie nach einem Mutmacher, der auf gewisse Substanzen nicht verzichten kann. Udo als Droge, die uns hilft in diesen schweren Zeiten, die er ja fast schon prophetisch vorweggenommen hat. Das hilft, um das alles auch mal für zwei, drei Stunden in der ausverkauften SAP-Arena am Samstagabend zu vergessen. Ohne Maske natürlich.
Wenn man mit 45 Jahren schon so aussieht, wie andere mit 75, dann muss einem vor dem Alter nicht bange sein. Und wer ein Leben auf der Achterbahn geführt hat, wer immer wieder abgestürzt und immer wieder aufgestanden ist, den wirft vielleicht wirklich nichts mehr um. Da steht er, der Rocker aus Gronau, der Unverwechselbare, der Monolith der deutschen Rockgeschichte, und alles ist wie immer.
Man kann dies in seinem Gesicht und in den seltenen Augenblicken, wenn er die Brille abnimmt, auch in seinen Augen ablesen. Sein Leben hat Spuren darin hinterlassen. Aber dieses Gesicht ist auch eine Landkarte der deutschen Nachkriegsgeschichte, von den miefigen Adenauer-Jahren über den vermeintlichen Aufbruch der späten 1960er, frühen 1970er und die Wiedervereinigung bis ins neue Jahrtausend und die Gegenwart. Udo war immer da, auch wenn er öfters abgetaucht war. Und das ist gut. Deutschland braucht einen wie ihn, dessen politische Botschaft immer ganz klare Kante war, auch wenn mancher Text ziemlich naiv daherkommt. „Wozu sind Kriege da?“ lässt sich halt gerade nicht hören, ohne hinter dem Kinderchor die bösen schweinsäugigen Sehschlitze des russischen Präsidenten Putin aufblitzen zu sehen.
Die Entscheidung für Udo ist eine Lebenseinstellung
Udo-Fans gibt es generationenübergreifend, der Sohn an der eigenen Seite beim Konzert ist das beste Beispiel. Und die Entscheidung für Udo ist eine Lebenseinstellung, ein trotziges Aufbegehren gegen als Piefige, Spießige, aber auch gegen Hass und Nationalismus. Das Universum, das er sich mit seinen mitunter skurril-komischen, dann auch wieder leise-nachdenklichen Song singend erschaffen hat, sie ist eine andere. Eine bessere. Eine buntere.
Er ist eine Kult-, keine Kunstfigur. Denn Udo ist gelungen, was nur wenigen gelingt: Leben und Werk sind eins geworden. Das Leben ist Show, die Show inszeniertes Leben. Eben ein Gesamtkunstwerk, Wie jedes einzelne Konzert. Ein gigantisches Spektakel, eine Riesenfete, ein Taumeln in Erinnerungen, schönen wie weniger schönen. Panik als Antwort auf eine triste Welt. Vielleicht am Samstagabend mehr denn je.