News
Quietschbunte Nachdenklichkeit
Rente? Nein Danke!
Das Wort Ruhestand scheint aber segensreicherweise so gar nicht im Vokabular des außerordentlich leutseligen und redefreudigen Rockmusikers vorhanden zu sein. Zwar hat er seit seinem siebzigsten Geburtstag kein neues Album veröffentlicht, aber doch ein Repertoire von in 48 Jahren eingespielten 37 Alben im Rücken. Davon zehrt er in der Schleyerhalle bestens, neben sehr vielen seiner teils sehr originell variierten Klassiker – von der Lou-Reed-Adaption in „König von Scheißegalien“ bis zur Akustikgitarrenistrumentierung in „Cello“ – hat er auch fast schon vergessenes Repertoire zu bieten, etwa das launige „Ich träumte oft davon ein Segelboot zu klauen“.
29 Songs ziehen in diesem Panoptikum so vorüber, von seiner reichlich routinierten Band klangstark in Szene gesetzt. Und zur allseitigen Verblüffung kommt als Überraschungsstargast des Abends plötzlich Otto Waalkes auf die Bühne spaziert. Mit seinem alten WG-Mitbewohner intoniert Lindenberg ein Minimedley aus Stings „Englishman in New York“ und „Highway to Hell“ von AC/DC, und besser als in diesem einzig schwachen Moment des Konzerts hätte sich gar nicht offenbaren können, was Udo Lindenberg nach dem Tod Karl Lagerfelds zum Nimbus des neben Nina Hagen einzig verbliebenen Originals im deutschen Unterhaltungsgeschäft verhilft. Hier der Flachwitzreißer Otto, dort der Elder Statesman Udo. So gesehen ist auch dies eine schöne Illustration an einem bezaubernden Abend, der einen Udo Lindenberg zeigt, der nach einem bekrönenswerten Lebenswerk nun ganz bei sich angekommen ist.
Text: Jan Ulrich Welke
Fotos: Tine Acke