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Udo Lindenberg: Fulminante Panik-Show – und ein Stargast aus WG-Zeiten
28.06.2022 Wenn Sie hoffen, hier jedes Detail über das Konzert von Udo Lindenberg am Montagabend – das erste von zweien – in der Barclays Arena zu lesen, dann müssen Sie direkt eine Enttäuschung in Kauf nehmen. So viel, wie in dieser Show steckte, das passt schlichtweg nicht in einen einzigen Artikel.
Eines lässt sich aber ganz sicher sagen: Jeder einzelne Cent, den die Fans für Tickets gezahlt haben, hat sich absolut gelohnt. Das war kein bloßes Konzert, das war ein Musical, eine Gala, ein Spielfilm auf der Bühne. Oder einfach, wie Udo sagte: „alles fantastico“!
So bodenständig der Panikrocker daherkommt, so üppig dürfen seine Auftritte sein. An diesem Abend glitzerte, leuchtete und knallte alles, immer wieder schwebten Menschen oder Dinge von der Arenadecke, Konfetti und Laser begeisterten das Publikum. Schon der Anfang der Show: grandios. Nachdem das fulminante Panikorchester und der Rest der vielköpfigen Live-Band auf der Bühne standen, schwebte eine Treppe heran, wie am Flugzeug. Eine Tür in der Kulisse öffnete sich, jeder dachte: Jetzt kommt er! Und da kam auch ein Udo, in enger Hose und mit Hut – aber dann noch einer, und noch einer. Bis klar wurde: Da kam ein ganzer Kinderchor im Udo-Look auf die Bühne! Der Meister selbst schwebte auf einem Podest herab. Was für ein Spektakel!
Stargäste beim Udo Lindenberg-Konzert in Hamburg
Und auch im Anschluss wurde es nicht langweilig. Der 76-Jährige hatte neben zahlreichen neuen Songs auch die Klassiker dabei, und zudem einige Stargäste. „Cello“ sang er gemeinsam mit Clueso, „Bunte Republik Deutschland“ und „Reeperbahn“ mit Ole Feddersen und mit seinem alten WG-Genossen Otto Waalkes freestylte Udo den „Friesenjung“-Song und die ACDC-Persiflage „Auf dem Heimweg wird’s hell“. Das berührende „Sailor“ widmete der Panikrocker seinen kürzlich verstorbenen Wegbegleitern Andreas Herbig und „Balou“ Temme. Und wirkte dabei ehrlich emotional.
Zwischendurch war inmitten der knallbunten Show immer wieder Platz für politische Statements. Sei es gegen den Ukraine-Krieg („Wozu sind Kriege da?“, „Wir ziehen in den Frieden“), wobei der Kinderchor mitsang und dabei T-Shirts mit Zielscheibenmotiv trug. Da hatte wohl jeder Zuschauer einen Kloß im Hals. Und auch gegen den Missbrauch und die Scheinheiligkeit vieler Verantwortlicher in der katholischen Kirche teilte Udo aus: Er ließ nicht nur Tänzer:innen in Nonnen- und Priesterkostümen sexy über die Bühne tanzen, während er keck einen Heinz Rühmann-Klassiker coverte, er verheiratete symbolisch auch zwei Nonnen miteinander, ebenso wie zwei Priester, woraufhin sich alle die religiösen Gewänder vom Leib rissen und den Rest des Songs in sehr knappen Glitzerfummeln herumwirbelten. Womöglich nahm er sogar das Wort „Schweinepriester“ in den Mund – Madonna bekam einst für weniger eins auf die Mütze!
Das ist das Faszinierende an Udo Lindenberg: Er ist längst ein Nationalheiligtum, er hat alles erreicht, er müsste nichts mehr tun, mit dem er sich Ärger einhandeln könnte. Er tut es trotzdem, nutzt seine Reichweite für echte Botschaften, auch wenn er damit vielleicht jemandem auf die Füße tritt. Und genau darum lieben ihn die Fans. Die großen Songs und Udos verblüffende Energie sind natürlich auch valide Gründe. Und das Alter? Wenn interessiert’s. „Ich kann noch nicht weg, ich muss noch ein bisschen rumjodeln“, scherzt der Rocker selbst. Am Ende staunt ein Mann im Publikum: „Zweieinhab Stunden! Das haben nicht mal die Stones geschafft!“
Wer die ausverkaufte Show am Montag nicht sehen konnte, hat am heutigen Dienstag noch einmal die Chance: Für das Zusatzkonzert in der Barclays Arena gibt es noch Karten!
Text: Wiebke Tomescheit
Fotos: Tine Acke