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Cooler Ehrenbürger: Udo ist jetzt Hamburgs Panik-Botschafter – und die AfD ätzt
09.09.2022 „Ich begrüße ganz herzlich Udo Lindenberg in unserer Mitte!“, sprach Carola Veit um 18.38 und unter Applaus der Bürgerschaftsmitglieder tänzelte Udo Lindenberg mit Hut, Nadelstreifen-Jacket und schwarzer Hose auf seinen Ehrenplatz – und lauschte der emotionalen Rede des Bürgermeisters Peter Tschentscher (SPD) und den Freundlichkeiten der Fraktionsführer.
Mit Ausnahme der AfD-Abgeordneten stimmten anschließend alle Fraktionen der Bürgerschaft dem Antrag zu und ernannten den Panikrocker mit Standing Ovations zum vermutlich coolsten Ehrenbürger Hamburgs – der sich prompt mit einem kleinen Udo-Tänzchen bedankte.
„Hamburg ist meine goldene Start- und Landebahn“, wird er später in seiner launigen Dankesrede sagen: „mein persönliches Eldorado“. Und: „Danke, dass ich jetzt euer Ehren-Rock ’n’ Roller bin!“ Schließlich singt der Jugendchor der Goethe-Schule Harburg ein Potpourri der Lindenberg-Hits mit viel Schmackes – und den Song „Wozu sind Kriege da?“ mit Udo zusammen.
Wer hätte das gedacht damals, als im „Onkel Pö“ die Rentnerband spielte: Udo Lindenberg (76) ist jetzt Hamburger Ehrenbürger – die höchste Würde, die die Stadt zu vergeben hat (und die sie höchst selten Musikern zuteil werden lässt). Zeit für einen Eierlikör.
Udo ist der 37. Ehrenbürger der Stadt (in illustrer Gesellschaft etwa mit Helmut Schmidt, Uwe Seeler und Rudolf Augstein) – aber erst der zweite Musiker, nach Johannes Brahms, dem diese Ehre 1889 erfuhr. Einen malenden Ehrenbürger gibt’s noch gar nicht. Höchste Zeit also für Udo, der seiner Wahlheimat mit „Reeperbahn“ immerhin einen der schönsten Hamburg-Songs aller Zeiten geschenkt hat („Du geile Meile, auf die ich kann…“).
Udo Lindenberg ist Ehrenbürger Hamburgs
Seine Songs zeigen Haltung in konkreten Situationen des Lebens und zu den großen Themen der Zeit“, so Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) in seiner Rede vor der Bürgerschaft – und dann führte er auf, wie Udo mit „Mädchen aus Ostberlin“ und dem „Sonderzug nach Pankow“ schon in den 70er und 80er Jahren gegen die deutsche Teilung ansang, wie er unermüdlich für eine Auftrittsgenehmigung in der DDR kämpfte und einem komplett überrumpelten Erich Honecker bei dessen Wuppertal-Besuch 1987 sogar Gitarre und Lederjacke in die Hand drückte.
Und heute? Ehrenmann, würden junge Menschen sagen. Udo Lindenberg hat schon vor Jahren die „bunte Republik Deutschland“ ausgerufen, ist schlaksig und nuschelig wie eh und je, trägt Hut und Sonnenbrille zum ungebrochenen Kampfgeist: „Er engagiert sich bis heute entschlossen gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Diskriminierung. Er ist Botschafter für Toleranz, Frieden und Freiheit“, wirbt Peter Tschentscher: „Mit anderen Worten: Udo Lindenberg ist Hanseat, nicht von Geburt, aber aus Überzeugung.“
AfD ätzt: „Udo Lindenberg wird nie ‚uns Udo‘
Großer Applaus nach Tschentschers Rede, nur Dirk Nockemann und die übrigen AfD-Abgeordneten blieben mit verschränkten Armen und sauertöpfischer Miene unbewegt. Bunte Republik, das ist nicht ihr Ding. Und Udo Lindenberg mit seinem Rock gegen Rechts, das ist für Nockemann und Co. kein Grund zum Klatschen. Als AfD-Mann Alexander Wolf mit seiner Rede dran ist, erklärt er, Lindenbergs Sprache wirke ‚manchmal etwas bemüht‘. Und Udo Lindenberg werde nie „uns Udo werden“. Udo habe kein Rückgrat und schwimme mit dem Mainstream. Und außerdem habe er AfD-Wähler beleidigt. Die AfD werde die Ehrenbürgerschaft nicht unterstützen. Buhrufe aller anderen. Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit spricht von einem „Wortbeitrag kurz vor der persönlichen Beleidigung.“
Klar, dass die Bürgerschaft den Vorschlag mit großer Mehrheit annahm. Zum anschließenden Festakt kamen auch die Kinderbuchautorin (und Ehrenbürgerin) Kirsten Boie, Ballettdirektor John Neumeier und Unternehmer Michael Otto, allesamt ebenfalls Hamburger Ehrenbürger. „Udo Lindenberg spricht vielen Menschen aus der Seele, mit bewegenden Worten, mit Lebensfreude, Leidenschaft, einem einzigartigen Stil und einem Hauch geheimnisvoller Magie“, so Peter Tschentscher am Ende der Zeremonie. Und dann wendet er sich an den Rocker: Ich bin sicher, dass viele Menschen in Hamburg stolz sind, dass du nun offiziell zum Panik-Botschafter unserer Stadt wirst.