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Udo Lindenberg: "Ein legendärer Typ mit einem riesigen Herzen"
25.08.2022 Im September wird Udo Lindenberg zum Ehrenbürger Hamburgs gekürt. Hier gratuliert ihm sein Freund Jan Delay.
Manchmal, wenn man sich mit Udo unterhält, wirkt es, als höre er gar nicht richtig zu. Da nuschelt er irgendwas vor sich hin, und auf einmal steht er auf, macht die Fenster zu, dann kommen ein paar Leute rein, wollen was von ihm, und er quatscht mit denen. Aber dann setzt Udo sich wieder hin und hakt genau da ein, wo er zehn Minuten zuvor aufgehört hat zu reden.
Das ist nämlich das Ding: Udo ist überhaupt nicht so verpeilt, wie man meint. Er ist immer messerscharf am Start. Und für mich ist er mehr als nur ein berühmter Musiker, nämlich ein echter Freund, und das inzwischen seit vielen Jahren.
Klar, als wir uns kennengelernt haben – das ist fast 20 Jahre her –, sah ich in ihm vor allem eine Legende, eine der großen Lichtgestalten meiner Kindheit. Ich mein, ich hab früher mit dem Kassettenrekorder am Fernseher gestanden und alles aufgenommen, was da von ihm zu hören war. Mein erstes Album war eines von Udo, Sündenknall. Die Platte habe ich Ende der Achtziger auf dem Flohmarkt gekauft. Udo war der erste Musiker, bei dem ich das Gefühl hatte, er spricht mit mir. Ich war lange Zeit ultragroßer Fan. Wegen ihm habe ich überhaupt erst angefangen zu singen!
Ein paar Jahre später schwirrte er plötzlich in meinem Studio herum, und ich war erst mal ziemlich aufgeregt. Das war 2005, als wir zusammen den Song Im Arschaufgenommen haben. Ich habe ihn damals gefragt, ob er mitmacht, weil ich ihn so ein bisschen verloren wähnte. Seither waren wir immer füreinander da. Ich habe ihn bestimmt schon tausendmal um einen Gefallen gebeten. Neulich zum Beispiel habe ich ihn von meiner Tour aus angerufen und gesagt: "Hey, Udo, du musst mir helfen, ich bin krank, aber ich habe echt wichtige Gigs." Er hat dann seinen Arzt klargemacht, diesen Doktor Chicago, und der ist vorbeigekommen, hat mir irgendwas gespritzt, und dann ging es wieder.
Das letzte Jahr über habe ich Udo aber fast gar nicht gesehen. Er musste einfach derbe aufpassen wegen Corona. Ich versteh das natürlich, aber er hat mir schon gefehlt. Wir sind ja früher auch mal nächtelang zusammen im Auto durch die Stadt gefahren, haben Musik gehört oder uns stundenlang unterhalten. Oder wir sind einfach zusammen rumgehangen, an der Bar im Hotel Atlantic oder in seinen Gemächern dort. Ich mein, wir haben ja auch ewig zusammen an seiner Comebackplatte gefeilt, an Stark wie zwei. Wir haben an so vielen Songs gearbeitet, so viel geplant, was seine Karriere betrifft.
Und jetzt war er sogar bei den Konzerten immer total abgeschirmt und hat keinen in seinen Backstageraum gelassen. Nach der Show ist er immer schnell in sein Auto gestiegen und weggefahren. Da war also schon lange nichts mehr mit zusammen abhängen.
Vor ein paar Wochen habe ich ihn dann einfach einmal abgepasst. Das war bei seinem Konzert hier in Hamburg. Wir standen zwar zusammen auf der Bühne, danach ist er aber schnell aufgebrochen. Ich bin dann einfach auf den Parkplatz gegangen und habe kurz sein Auto angehalten, und wir haben uns durch die Fensterscheibe unterhalten. Ich wollte ihm einfach einmal wieder kurz nah sein, ihm Hallo sagen. Was wir da gesprochen haben, das geht niemanden was an. Aber ihn zu sehen, das war superschön.
Dass Udo jetzt so eine große Auszeichnung kriegt und Ehrenbürger dieser Stadt wird, das hat er echt verdient. Und zwar eben nicht nur, weil er schon fast selbst ein Wahrzeichen Hamburgs ist oder weil er so viel für die Musikkultur der Stadt gemacht hat. Sondern weil er ein großer Mensch ist. Ein legendärer Typ mit einem riesigen Herzen. Ich wünsche mir, dass das immer so weitergeht, mit Udo, hier in Hamburg. Und mit unserer Freundschaft.
Text: Jan Delay
Fotos: Tine Acke