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Sein einziger Auftritt in der DDR: Panik-Rocker Udo Lindenberg im Republik-Palast

25.10.2008

Heute vor 25 Jahren. «Die ganze Aktion schwankte zwischen Komik und Tragik», sagt Rockstar Lindenberg über das historische Konzert, um das er so kämpfte. Doch dann passierte etwas Unerwartetes – der «pervertierte Schlagersänger» schlug zu.

Das Mädchen aus Ostberlin wartet gleich hinter dem Grenzübergang auf Udo Lindenberg. Sie hält eine rote Rose in der Hand und küsst den Rockstar, für den sich gerade der Schlagbaum zwischen West und Ost geöffnet hat. Das Foto ziert am nächsten Tag die Titelseiten der Zeitungen im Westen - Dokument eines historischen Augenblicks. Der Panik-Rocker, der lange um einen Auftritt in der DDR gekämpft und den «Sonderzug nach Pankow» aufs musikalische Gleis gesetzt hatte, durfte zum ersten Mal im Arbeiter- und Bauernstaat singen. Es sollte bis zum Mauerfall seine einzige Show im Osten bleiben. Wenn der 62-Jährige an diesem Samstag (25. Oktober) in Köln auf der Bühne steht, liegt das Konzert 25 Jahre zurück. «Die ganze Aktion schwankte zwischen Komik und Tragik», sagt Lindenberg.

Er entkommt den Aufpassern

Es ist ein absurder Tag für den Rocker bei «diesem Bieder-Festival mit Blauhemden und Buttermilch». 25. Oktober 1983, 11.55 Uhr: Mit Hut auf dem Kopf und Zigarette im Mund passiert der Sänger im Auto die Grenze an der Berliner Invalidenstraße. Journalisten und Fotografen drängeln sich, Fans lauern ungeduldig. Unfreiwillig komische Aktionen der Genossen folgen im und vor dem Palast der Republik, wo der Musiker auftreten soll.

FDJ-Chef Egon Krenz schlürft mit dem Rocker Buttermilch, weil Lindenberg sich - aus Scherz - dieses Getränk gewünscht hatte. Das Protokoll sieht keinen Kontakt zwischen den Fans auf der Straße und ihrem Idol vor. Doch Panik-Udo nutzt einen günstigen Augenblick, um zu ihnen zu kommen. Er landete auf den Schultern der Fans - ein Alptraum für SED und Stasi.

Heimliche Hymnen
Schon zehn Jahre lang hatte Lindenberg die Wiedervereinigung besungen. «Wir wollen doch einfach nur zusammen sein», dichtete er 1973 in «Mädchen aus Ostberlin», eine «Rock'n'Roll-Arena in Jena» forderte er später. Schlagersänger aus dem Westen trieben im «Kessel Buntes» des DDR-Fernsehens ihr Unwesen, ihm blieb das verwehrt. «Es war frustrierend! Ich wusste, dass ich viele Sympathisanten im Osten hatte.»

Entnervt und provozierend schickte er den «Sonderzug» - das Lied über «Oberindianer» Erich Honecker - auf Fahrt. Im Westen ein Hit, im Osten auf dem Index. Trotzdem dröhnte der Song aus vielen Kassettenrekordern. Lindenberg: «Für die Menschen im Osten wurden die Lieder zu heimlichen Hymnen. Die haben sie heute noch tief im Herzen, weil sie ihre Sehnsucht zum Ausdruck gebracht haben.»

Propaganda für die DDR?

Nach dem «Sonderzug» schienen die Zeichen für Panik-Power im Sozialismus nur noch auf Rot zu stehen. «Ich startete einen letzten Versuch und schrieb einen Brief an Honey, einen Gruß von Panik- Nachtigall an Steiff-Tier», erzählt er. «Mit Rock'n'Roll-Diplomatie musste doch was zu machen sein!»

Als «sturer Schrat» wie im Skandal- Song wollte Honecker nicht gelten. Lindenberg: «Aus der FDJ-Zentrale kam die frohe Kunde: Der kleine Udo darf doch auftreten.» Der Deal: Wenn der Rocker die Genehmigung erhält, schickt Konzertmanager Fritz Rau auch Harry Belafonte, US-amerikanischer Kriegsgegner. Jubel in der Panik-Zentrale in Hamburg, Kritik in West-Medien: Lindenberg lasse sich vor den «Propaganda-Karren» der DDR spannen.

Der Raketen-Faux-Pas

15 Minuten dauert sein Auftritt beim Festival des politischen Liedes, vor einem von Funktionären ausgewählten Publikum. «Die hatten die Anweisung, verhalten zu klatschen. Nur wenige Panik-Fans bekamen Karten, die anderen schrien sich draußen die Seele aus dem Leib», erzählt der Künstler und sieht es nach wie vor als richtigen Versuch «einer Annäherung».

«Uns waren ja eine Tour und die Ausstrahlung des Konzerts im DDR-Fernsehen zugesagt worden.» Doch dann setzte der Musiker während des Auftritts sowjetische und amerikanische Raketen gleich - die Tour wird gestrichen, wieder nur ein Tagesschein für Lindenberg.

 
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