Von diesem Tag an war alles anders.
Er war ein Star. Schon damals, vor 15 Jahren. Während die anderen in der Rockmusik sich bis spät in die 70er Jahre fast nur in englischer Sprache versuchten, zeigte Udo Lindenberg, dass man mit Deutschem nachhaltige Hits machen kann. Eine neue, berührende Lyrik der Straßen-Sprache. Er hatte Songs geschrieben, die alle kannten. „Hinterm Horizont“. „Andrea Doria“. „Daumen im Wind“. Mehr noch: Mit seinem „Sonderzug nach Pankow“ machte er als Künstler Realpolitik, auch wenn sie damals noch visionär schien - und schlug erste Löcher in die Berliner Mauer. Seine einzigartigen Sprachschöpfungen waren die Vorreiter des Deutschrap und öffneten Generationen von Musikern später Tür und Tor.
Aber dann eroberte Udo Lindenberg mit einem Album noch eine ganz andere Dimension. Am 28. März 2008 wurden er mit seiner Musik zur Ikone. Die Karriere nahm die Beschleunigung einer Rakete beim Start an der Space Coast auf. Eine Entwicklung, wie es sie in der deutschsprachigen Szene nie davor – und seitdem auch nicht mehr – gegeben hat.
Und alles begann mit den 14 Songs des Albums Stark wie Zwei.
Verspürt der Mensch inmitten seines kreativen Prozesses, dass er gerade dabei ist, etwas ganz Besonderes zu schaffen? Fühlt er die Qualität der Inspiration wie eine Erweckung aus apathischem Allerlei? Hat sich Einstein begeistert auf die Schulter geklopft, als die Relativitätstheorie durch seinen Kopf tanzte? War Mozart von Glück beseelt, als ihm die Jupiter-Symphonie einfiel? Schwebt der Funke des Meisterwerks wie ein goldenes Staubkorn durch den Raum, gewaltig und schwerelos zugleich?
Einfach gefragt: Wann begreift ein Künstler wie Udo Lindenberg die Außergewöhnlichkeit seiner Arbeit, die Relevanz von mehr als einem Dutzend Songs, die beklemmend und euphorisch sind, amüsant und Energie geladen und allesamt durch und durch Udo? „Ich habe gemerkt, dass da etwas Besonderes am Entstehen ist. Und ich habe mir damals auch gut Zeit für das neue Album genommen“, sagt er.
Einen, den man in diesem Zusammenhang nie vergessen darf, ist der früh verstorbene Produzent Andreas Herbig. Die Panik Family hatte den Unterbau geschaffen, der Pate selbst die tragende Kuppel, der Produzent setzte Säulen und zierliche Balken, wo sie keiner vermutet.
„Ich wollte unbedingt mit Andreas arbeiten.“ Freunde wie Helge Schneider, Silbermond, Jan Delay, Juli oder Til Brönner unterstützten darüber hinaus mit ihrer Kunst bei „Stark wie Zwei“ den Maestro. „Und dann Annette Humpe, meine treue Soulsister.“ Bis heute wurde das Album mit drei Platin und sieben Gold-Auszeichnungen belohnt. Das Verblüffende: Es war das erste Mal, dass Udo Lindenberg mit einem Album die Nummer Eins der Charts eroberte.
Geschaffen war ein Album wie eine Chronik laufender Ereignisse. Nur viel schöner. Die erste Single-Auskoppelung war, Wenn du durchhängst. Eine balladeske Ode an die Freundschaft. Was hat die Zeit mit uns gemacht sind Beobachtungen in Verse und Noten umgesetzt: Oder Spaß, wie Chubby Checker. „Der Song ist im Gespräch mit Helge Schneider hier an der Hotelbar im ‚Atlantic’ entstanden.“ Gemeinsam mit Stefanie von Silbermond schrieb Udo Der Deal. Verbotene Stadt brilliert mit der Trompete von Till Brönner, Der Greis ist heiß ist ein Song, der mit seiner Semantik einen Spitzenplatz in der Ewigen Bestenliste Lindenberg’scher Songs einnehmen kann. Mit seinem Kumpel Jan Delay sang Udo Ganz anders ein, Woddy Woddy Wodka ist ein „Gute-Laune-Lied“ eines Mannes, der montags oft mal darunter leidet, am Wochenende much to much getankt zu haben, Songs wie Ich zieh meinen Hut und Interview mit Gott führen zu Stark wie Zwei, gleichzeitig auch der Titelsong des Longplayers. Er drückt Verzweiflung aus, aber gleichzeitig auch die Hoffnung: „Egal, wo ich hingeh, du bist dabei, stark wie zwei.“ Es wurde der berührendste Song auf dem Album.
Hamburg damals, an der Alster 2008. Der Frühling kündigt sich an. Kräftiger Wind faucht durch die Alleen. Schwarzer Mantel, dunkle Brille, brauner Hut. Udo Lindenberg raucht die zweite Davidoff des Nachmittags. Er ist unterwegs ins Studio, den letzten Song für das Album einzusingen. Der Astronaut muss weiter. Ob er in der langen Zeit, in der er musikalisch geschwiegen hat, jemals daran gedacht habe, die Musik aufzugeben, wird er gefragt. „Nein“, sagt er, „nie“. Musik sei seine Leidenschaft, sagt er und sie bleibt immer die faszinierende Spitze der Gesamtkunstattacke Lindenberg.
In den 15 Jahren seither sind Udo Lindenberg und die Musik ein ikonisches Gesamtkunstwerk geworden, immer wieder die Nummer Eins der Offiziellen Deutschen Album-Charts, mehr als eine Million Besucher bei seinen Konzerten in Stadien und Arenen. Und nun, so als wäre es zum Jubiläum geplant gewesen, besetzt er – gemeinsam mit dem Deutschrapper Apache 207 seit Wochen mit Komet auch den Spitzenplatz der Single-Charts.
Mehr Infos HIER!
Fotos: Tine Acke