04. Juni 2023 Astronaut im Udo-Universum

Quelle
WAZ, 03.06.2023

Das geballte Lindenwerk in Rostock: Kunsthalle zeigt die bislang größte Ausstellung von Lindenbergs Arbeiten

Rostock. Der Mann ist kein Sänger. Er ist kein Entertainer. Er ist auch kein Komponist, kein Lyriker, kein Maler. Nein, er ist all das zusammen – und noch viel mehr. Udo Lindenberg: ein Gesamtkunstwerk seiner selbst. Der Astronaut, der durchs Udoversum schwebt.

In der Kunsthalle Rostock wurde gerade die bisher größte Schau des Lindenwerks eröffnet, „Malerei, Musik & große Show“. Leider in Abwesenheit des Meister, den zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt eine Virusgrippe erwischte: „Fever und Knochen aua, Nasen-Wasserfall, kann kaum sprechen, geschweige denn jodeln. Schnief, rotz, röchel, echt heavy, Virus. Ja, das nervt, wäre schon sehr gerne dabei gewesen, yeah.“

Schade drum. Jedenfalls ist die multimediale Ausstellung für Fans (und alle, die es werden wollen) definitiv eine Reise wert. Auf 2000 Quadratmetern sind zu sehen: Gemälde, Zeichnungen, Likörelle (so nennt er die patentierten Aquarelle, die er aus zucker- und alkoholhaltigen, vor allem aber knallbunten Spirituosen gepinselt hat). Dazu: genreübergreifende Artefakte aus 50 Jahren interdisziplinärer Arbeit, die das künstlerische, aber auch politisch-soziale Schaffen des Unikums Udo widerspiegeln. Covers von Alben und Singles gibt es da, Fotos, Outfits und Konzertmitschnitte. In einem „Showlabor“ kann man erahnen, wie der Mann tickt: Udos Kreativabteilung zum Anfassen, eine Art „Making of“ – von Songs, Shows, Kostümen und Kulissen.

„Die panische Kulturhauptstadt“

Fotografien aus der Perspektive seiner – wie er sie nennt – Komplizenfrau Tine Acke ermöglichen einen hautnahen Blilck auf den Verfechter der bunten Republik Deutschland, den kompromisslosen Pazifisten-Humanisten und Panik-Präsidenten Udo Lindenberg.

Aber warum eigentlich Meck-Pomm? Der mittlerweile 77jährige antwortet im unnachahmlichen Udo-Easy-Sprech: „Einfach Bock auf Rostock. Das wird die panische Kulturhauptstadt im Sommer 23 – da oben zwischen Schmusedom und zum Vergnügen nach Rügen, zwischen Berlin und Hamburg, das ganze Udo-Universum in der neuen Kunst-Knaller-Halle!“

Deren Leiter Dr. Jörg-Uwe Neumann fasst es etwas förmlicher zusammen: „Udo Lindenberg kann als einer der wichtigsten Avantgardisten der Rock- und Popmusik in Deutschland gelten.“

Inspiriert von Joseph Beuys

Was mancher nicht weiß: Bruder Erich Lindenberg (seinen Tod 2006 verarbeitete Udo in einem seiner eindrucksvollsten Songs „Stark wie Zwei“) war ein namhafter Maler und von 1994 bis 2006 Dozent an der Akademie der Bildenden Künste in München. Und: Es war kein Geringerer als Joseph Beuys, der Udo Lindenberg bei einer Begegnung 1980 zum Zeichnen und später zum Malen inspirierte.

Für den ist am Ende sogar eine Kunsthalle zu klein. Diverse Monumentalwerke des Mannes aus (O-Ton) Gronau an der Donau sind daher in Rostocks Hauptkirche, der Marienkirche, zu sehen.
Udo Lindenberg: Ist halt einer, der sein Ding macht. Ob mit Mikro oder mit dem Pinsel. Gäbe es ihn nicht – man müsste ihn erfinden. Ist aber zum Glück nicht nötig. Yeah.

Text: Frank Grieger
Fotos: Tine Acke