Die Kunsthalle Rostock feiert Udo Lindenberg bis Ende August mit der Werkschau „Malerei, Musik & große Show“.
Rostock. „Reeperbahn, ich komm an, du geile Meile, auf die ich kann“, tönt es aus den Lautsprechern. Ein kurzer Rundblick: keine Davidwache, kein Schmidts, kein Docks weit und breit. Und doch fühlt man sich als Hamburger am Mittwochabend in der Kunsthalle Rostock fast wie zu Hause: alles ist voller Udo Lindenberg. Bilder an den Wänden, Doppelgänger in den Fluren. Panik-City Rostock. Hansestadt.
„Udo Lindenberg – Malerei, Musik & große Show“ heißt die bislang größte Ausstellung, die El Panico gewidmet wurde und noch bis zum 27. August in der Kunsthalle zu sehen – und hören – ist. Auf 2000 Quadratmetern und zwei Stockwerken wurde eine wahre Villa Kunterbunt zusammengestellt.
Zugegeben, Rostock würde einem nicht als erstes einfallen, um so eine umfassende Werkschau zu präsentieren. Hamburg, klar, hat bereits die multimediale Erlebniswelt Panik City am Spielbudenplatz.
In Gronau, Udos Geburtsstadt, eröffnete 2004 das von ihm initiierte Rock’n’Popmuseum. „Die ersten Gespräche mit Udo waren nicht ganz einfach“, gibt auch Kunsthallen-Leiter Uwe Neumann bei der Eröffnungsfeier am Mittwoch zu, „aber dann war er doch begeistert“.
Es dauerte aber doch vier lange Jahre von der Idee bis zur Vernissage. Corona und die Sanierung der Kunsthalle sorgten für einige Verzögerung, aber auch für genug Zeit, sich mit Konzept und Kuration ausführlich auseinanderzusetzen, was man der Ausstellung auch wirklich ansieht.
Udo persönlich ist bei der Eröffnung nicht dabei, er hütet mit einer heftigen Grippe und ohne Stimme das Bett, wird aber von seinem Promoter den ganzen Abend lang mit Videos und Fotos auf dem Laufenden gehalten. Stattdessen übernimmt Steffi Stephan, Udos Bassist und seit 1964 Partner in crime den Auftakt: „Udo kommt ganz bestimmt, er hat sich unsagbar auf diese Ausstellung gefreut.“
Stephans Kolleginnen und Kollegen des erweiterten Panik-Orchester-Kreises Jean-Jacques Kravetz (Keyboard), Ole Feddersen und Nathalie Dorra (Gesang) sowie Jörg Sander (Gitarre) spielen für die 200 geladenen Gäste live „Honky Tonk Show“, „Mein Ding“, „Cello“, „Reeperbahn“ und für Udos kürzlich gestorbene Gitarristin Carola Kretschmer „Das Leben“, dann geht es auf den Rundgang.
Schnell wird klar, dass die Kunsthalle Rostock nicht nur den bildenden Künstler Udo Lindenberg und seine klein- und großformatigen, mit Likören gemalten „Likörelle“ feiern will, sondern das Gesamtkunstwerk, das Lindenwerk, das Udopium als Sänger, Songschreiber, Maler, Friedensbeweger, Dazwischenschnacker. Die Kunsthalle wurde offensichtlich komplett ausgeräumt, um sich in ein Lindenberg-Museum zu verwandeln.
So widmet sich das Erdgeschoss besonders Leben und Wirken des Panikrockers. Biografische Erklärungen zu Herkunft und Kindheit, ungezählte Albumcover und Konzertplakate, Tour-Bekleidungen, Devotionalien des Austausches mit Erich Honecker (Schalmei, Lederjacke, „Gitarren statt Knarren“-Gitarre), Stasi-Akten-Auszüge, eine große Touchscreen-Jukebox und weitere rock’n’rollige Udogensien zeichnen den Weg nach von den ersten Takten als Trommler bis zum aktuellen Videclip zum Song „Komet“ von Udo und Apache 207, das aktuell nach 18 Wochen immer noch auf dem ersten Platz der Charts steht.
Auch das Obergeschoss beginnt mit viel Musik. Flankiert von Fotografien von Tine Acke zeigt eine große Videoleinwand im Zeitraffer die Aufbauarbeiten eines Udo-Konzerts in der Leipziger Red Bull Arena, dahinter steht im Puppenformat ein Diorama der Bühne von Udos Tour 2022, die ihn im Juni auch in die Hamburger Barclays Arena führte. Auch die „Onkel Pö“-Ära bekommt eine Wand.
Dann aber – endlich – Kunst. Likörelle, Likörelle, Likörelle. Und Udogramme, die schnell hingewischten Zeichnungen. Aber auch weniger Bekanntes wie einige Werke von Udos Bruder Erich Lindenberg. Der Maler und langjährige Dozent an der Akademie der bildenden Künste war bis zu seinem Tod 2006 neben Joseph Beuys der wichtigste Motivator und Inspirationsquelle für Udos Schaffen, noch 2006 stellten beide gemeinsam in Cottbus aus. Sie waren „Stark wie Zwei“, wie Udo auf seinem gleichnamigen Comeback-Album 2008 trauerte.
„Du sollst“, „Sonderzug nach Pankow“, „Komet“, „Andrea Doria“, „Alle Tage sind gleich lang, jedoch verschieden breit“ und viele weitere Likörelle treiben es bunt mit viel Blue Curacao, Eierlikör, Grenadine und Campari. Nicht alle ausgestellten Werke von Frühwerk bis letzte Woche sprechen für sich. Bei einigen wie den „Pimmelkopp“-Nazischlägern könnte man sich noch begleitende Texte zur Einordnung wünschen.
Dennoch ist „Udo Lindenberg – Malerei, Musik & große Show“ eine gelungene wie liebevolle Ausstellung, die nicht nur den harten Kern der Gefolgschaft des Panik-Präsidenten unterhält, sondern generell einen Ausflug an die Ostsee wert ist. Dabei sollte man auch die Rostocker Marienkirche nicht vergessen, dort sind einige von Udos Monumentalwerken ausgestellt. „Da gibt es so ‘nen Boulevard“ – die Kunsthalle liegt übrigens an der Hamburger Straße.
„Udo Lindenberg – Malerei, Musik & große Show“ bis 27.8., Di-So 11.00-18.00, Kunsthalle Rostock, Hamburger Straße 80, 18069 Rostock, Eintritt 10,-/erm. 8,-; Kunsthalle Rostock
Text: Tino Lange
Fotos: Tine Acke