22. Juni 2025 Udo Lindenberg kommt: „Mein Herz schlägt im Ruhrgebeat!“

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WAZ, 20.06.2025
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Tine Acke

Kurz vor seiner großen Ausstellung in der Ludwiggalerie spricht Udo Lindenberg über die Malerei und Musik als Ventil und seine Verbindung ins Revier.

„Einfach machen“ – das war der Rat, den ein gewisser Joseph Beuys bei einer Begegnung 1980 dem damals 34-jährigen Udo Lindenberg gegeben haben soll. Der war zu diesem Zeitpunkt längst ein Großer. Allerdings am Mikrofon und an den Trommelstöcken – und nicht etwa an der Staffelei.

So entstanden erste „Udogramme“ (kleine Weiblein und Männlein mit Hut) zunächst noch eher unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Mit der Zeit aber wurde aus den Strichzeichnungen, in denen sich der Meister nicht selten selbst verewigte, ein wahres Udoversum. In Zusammenarbeit mit der Brost-Stiftung zeigt die Oberhausener Ludwig-Galerie ab 28. Juni eine große Ausstellung: „Kometenhaft panisch – Likörelle, Udogramme, nackte Akte & viel mehr“ – samt umfassender Biographie im kleinen Schloss. Frank Grieger sprach vor der Eröffnung des Lindenwerks mit dem Meister.

Lieber Udo, wir haben uns länger nicht gesprochen. Wie geht‘s dir denn?

Alles easy. Ich hatte ja vor einiger Zeit mein Schleuder-Knie in Reparatur, ne - aber jetzt alles wieder voll am Start. Voll Action, no Panic . . Man nennt mich ja auch den Elasto-Man, schnell und geschmeidig wie die Gazelle, yeah.

Respekt. Was ist dein Geheimnis?

Ich hab als Personaltrainerin die Boxweltmeisterin Natalie Zimmermann. 2023 Weltmeisterin im Superleichtgewicht. Wir gemeinsam: Boxen, Knochenbiegen, Joggen round the Alster, naja, das ganze Ding. Nat und ich sind ‘n monstergeiles Dream-Team.

Okay, läuft also – freuen wir uns schon mal auf die nächste Panik-Tour. Dieses Jahr steht aber die Malerei im Vordergrund, richtig? Lass uns doch mal über deine Ausstellung in Oberhausen reden.

Ja, genau. Freu mich total auf die Bilder-Show im geliebten Ruhrgebiet, Standort Oberhausen, die letzten zwölf Monate hab‘ ich hauptsächlich den galaktischen Panicolor-Farben und den malbaren delikaten Likörchen gewidmet. 
Du mischst bunte Liköre mit Acrylfarben und pinselst die dann in Aquarelltechnik auf Leinwand oder Papier. Du hast dir vor Jahren sogar die Rechte auf deine Erfindung schützen lassen…

Yes, 1997 beim Patentamt eingetragen, die Marken „Likörell“ und „Liqueurelle“.

Und jetzt bringst du die Likörelle zu uns nach NRW. Und noch viel mehr.

Ins RuhrgeBEAT, genau. Dazu gibt’s Udogramme und nackte Akte, die ganzen Abteilungen meiner lindianischen Malerei. Alle dabei. Die Klavierlehrerin, Rudi Ratlos, Elli Pyrelli, Detektiv Coolman sowie mein Faust-Zyklus und meine Lesart der 10 Gebote. Ja, auch die ganzen politischen Dinger, wobei ich ja finde, dass wir eh mehr politische Malerei brauchen, vor allem in so beknaxten Zeiten wie diesen, wo die Weltordnung ja voll das Riesenrad ab hat. Wir brauchen doch humanistische Zielsetzungen für eine bessere Welt von morgen, klare politische Haltung, Udopien und Visionen für Frieden und Fairness auf diesem Planeten. Da muss die Kunst auch am Start sein, eben auch die aktuelle Malerei. Ja, die Ausstellung wird Hammer, das gesamte Lindenwerk back in den Ruhrpott...

Du hast bei uns eine sehr treue Fangemeinde. Was verbindest du mit dem Revier?

Mein Herz schlägt im RuhrgeBEAT, weißt du doch… Viele Freunde da, und wenn wir unsere Shows da spielen, was für ein phantastisches Publikum, die ganze riesige Panik-Familie. Ein el Giganto-Temperament und höchste Sensibilität bei den leisen Songs. Geht richtig in die Seele rein. Soulsisters and -brothers in den knallevollen Arenen und Stadien. Yeah, mit‘m Revier hab ich ne lange Geschichte. Mit 16 bin ich ein Jahr lang durch Duisburg gestreunt, über die Kohlenhalden bis zu Tante Olga in Ruhrort (das war der Live-Musik-Laden damals). War dort am Konservatorium, auch viel in Mülheim und Gelsenkirchen unterwegs. Das wissen viele ja gar nicht. Zu der Zeit hab‘ ich dann auch mal im Breidenbacher Hof in Düsseldorf ‘ne Lehre als Page und Kellner angefangen, später in Münster Musik und Alkoholwissenschaften studiert. Und jetzt dürfen meine Babys in Oberhausen einziehen. Geilomatic!

Deine Babys, das sind natürlich deine Bilder.

Klar, das ganze Udoversum knallt jetzt kometenmäßig mitten ins RuhrgeBEAT.
Was bedeutet dir diese Ausstellung ganz persönlich? Sie zeigt ja neben der versammelten Kunst auch deine komplette Biografie im kleinen Schloss.

Ja, das ist schon eine große Sache für mich. Ich bin der Ludwig-Galerie mit Schloss und der tollen Brost-Stiftung sehr dankbar. Die ganze Panik-History in meiner alten Heimat … und das Schloss Oberhausen wird zur Panikzentrale Schloss Udohausen, haha. Da wäre ich gern mit meiner Mutter Hermine durchgeschlendert, wir hätten den Festtags-Eierlikör rausgeholt und auf dieses verrückte geile durchgeknallte Leben angestoßen… aber wer weiß, vielleicht guckt sie von oben zu, zusammen mit Gustav und meinem Bruder Erich, der mein großes Vorbild war in Sachen Kunst und Malerei.

Ja, dein Bruder war Maler und Dozent. Er starb im September 2006. Wenn du so zurückschaust: Was war das Beste und was das Dümmste, das du in deinem Leben gemacht hast?

Schwer zu sagen, aber ich glaub, die Erfindung der deutschen Easy-Sprache für die Popmusik und die Gründung des Panikorchesters waren schon ganz schön bedeutend. Und das Dümmste – vielleicht die überexzessive Hardcore-Sauferei in den Neunzigern. Klar, das war zwar in gewisser Weise auch Erleuchtungs-Trinken. Runter in die Katakomben der Erkenntnis. Hat meine Kreativität auch schon mal ganz gut befeuert. Wie bei Faust oder dem Steppenwolf. Aber, mal mit glasklarer Birne betrachtet, mein Comeback-Album „Stark wie Zwei“ und die ganze Magical-Mystery-Revival-Abenteuerreise, die danach kam, mit gigantischen Stadionshows und größten Rekordhits, das wäre so im Vollsuff von damals nich möglich gewesen. 
Nochmal zurück zu deiner Malerei. Du hast diesen leichten Strich, diesen cartoonhaften Stil – aber oft knallharte Themen. Rechte Gewalt, Nazi-Terror, Krieg der Religionen, brennender Planet …

Ja, alles was mich nachts wachhält, muss irgendwie thematisiert werden. Die Malerei und die Musik sind da ein gutes Ventil. Wenn ich das, was mir Angst macht, was mich wütend macht, künstlerisch verwandeln kann, wird es vielleicht weniger bedrohlich. Jedenfalls wird es dann mehr ne konstruktive Sache, und mein alter Kumpel Hoffnung kommt zurück …

Eigentlich bist du erklärter Pazifist. 1981 hast du „Wozu sind Kriege da?“ gesungen. Ist das Prinzip heute noch haltbar, mit Blick auf Putins brutalen Angriffskrieg?

Ja, die Weltlage ist komplizierter geworden. Die Frage tut meiner Pazifistenseele echt weh. Und wer kann darauf eine Antwort finden? Jedenfalls dürfen wir nicht zulassen, dass die Welt dauerhaft von diesen Schizomaten regiert wird. Wir dürfen nicht resignieren. Nee, wir brauchen eigentlich wieder ne große Friedensbewegung wie damals in der Hippiezeit, weltweit, laut, unüberhörbar. Es wird auch Zeiten geben nach Putin und Trump. 

Du bist, das wissen wir, zum Glück unsterblich. Der irdische Udo, es ist unfassbar, wird nächstes Jahr aber angeblich 80. Was sind deine Zukunftspläne?

Jedenfalls nicht kürzer treten, sondern lieber längere Schuhe anzieh‘n. Volle Kante Action, klare Sache: Die Nachtigall muss immer weiter zwitschern. Ich hab den Club der Hundertjährigen gegründet, mit mir selbst als jüngstem Mitglied, und nen Deal gemacht mit dem Tod, weil ich hier ja noch nich weg kann. Is ja noch viel zu tun. Hat er eingesehen. Also alles easy, die Tanks bleiben geflutet, Woddy Wodka und Freunde, wir sind jederzeit bereit zum Abheben. Nächster Landeanflug Oberhausen.

Autor: Frank Grieger, WAZ
Fotos: Tine Acke